Wir Menschen stehen Neuerungen grundsätzlich eher skeptisch gegenüber. Vor allem, wenn wir sie nicht verstehen, weil sie sich nur scheinbar mit bestehenden Mustern vergleichen lassen. Sich deshalb vor dem Neuen zu verschließen und sich nur mit der Verbesserung des Altbekannten zu beschäftigen, verhindert auf Dauer jede Evolution. So verhält es sich auch mit der Gleichgewicht des Volkswohl Bundes.

Der Volkswohl Bund hat mit dem Tarif Gleichgewicht zwar nichts Neues erfunden, außer den bescheuertsten Namen in der an bescheuerten Namen nicht gerade armen Geschichte der Versicherungsbranche, aber dennoch wird das Produkt einer sehr guten Marketing-Strategie bedürfen, um sich am Markt zu etablieren.

Die Gleichgewicht des Volkswohl Bundes: Eine Unfall-Versicherung nach dem Haftpflichtprinzip

Gleichgewicht des Volkswohl Bundes ist eine Unfall-Versicherung, die den Unfallschaden so reguliert, als wäre der Volkswohl Bund die Haftpflicht-Versicherung des Unfall-Verursachers. Wer das verstanden hat, hat deutlich weniger Probleme, das Produkt dem Kunden erklären zu können. Es ist also irgendwie doch keine Unfall-Versicherung, sondern eine Haftpflicht-Versicherung, die Eigenschäden reguliert. Aber nur, wenn ich mich selbst verletze. Durch einen Unfall. Ganz einfach 😉

Der Leistungsauslöser der Gleichgewicht des Volkswohl Bundes ist ein Dauerschaden, der durch einen Unfall verursacht wurde. Ein Dauerschaden liegt bedingungsgemäß ab drei Jahren vor. Dabei wird der erweiterte Unfallbegriff angewandt, der Eigenbewegung und erhöhte Kraftanstrengung einschließt. Unfälle, die durch eine Bewusstseinsstörung eingetreten sind, sind nicht versichert.

Der Leistungsfall muss innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall eintreten und ich muss in diesem Zeitraum melden.

Der Invaliditäts-Grad ist, anders als bei der klassischen Unfall-Versicherung, nicht ausschlaggebend für die Leistungshöhe. Wie in der Schadenversicherung gibt es bei der Gleichgewicht des Volkswohl Bundes eine Deckungssumme von 10 Millionen Euro, die für die finanzielle Absicherung aller Schäden zur Verfügung steht.

Nur der tatsächliche Schaden wird erstattet

Dabei werden Ansprüche an Dritte, staatliche Leistungen und Erstattungen aus obligatorischen Versicherungen angerechnet. Gleichgewicht leistet also immer nachrangig. Was für eine Schadenversicherung dem Sinn nach auch vollkommen in Ordnung ist.

Über den Baustein GehaltPlus kann der Versicherte bis zu 5.000 Euro monatliches Gehalt absichern. Dabei ist eine Überversicherung nicht möglich. Wer also 2.000 Euro verdient, kann maximal 2.000 Euro absichern. Wer 5.000 Euro verdient, kann aber auch nur 2.000 Euro absichern. Eine Unterversicherung würde hier nicht zu Leistungskürzungen führen. Auch das ist sinnvoll.

Der Baustein GesundPlus sichert ab dem 22. Tag einer unfallbedingten Krankschreibung rückwirkend zum ersten Tag wöchentlich 100 Euro zu. Ab der siebten Woche zahlt der VWB 200 Euro gezahlt. Die Leistung ist auf ein Jahr begrenzt. Für diesen Baustein muss keine dauerhafte Einschränkung vorliegen. Eine unfallbedingte Krankschreibung ist als Leistungsauslöser ausreichend.

Gut lesbare Bedingungen

Die Bedingungen sind sehr gut zu lesen. Der Volkswohl Bund scheint sich des Erklärungsbedarfs bewusst zu sein, den ein relativ neues Produkt mit sich bringt. Deshalb werden immer wieder Beispiele eingestreut, die erklären, wann geleistet wird und wann nicht.

An dieser Stelle, wenn ich mir überlege, wann der Tarif leistungspflichtig ist und wann nicht, beginnt es aber doch etwas komplexer zu werden.

Selbstverständlich muss der Versicherer alles erstatten, was zu Gesundung beträgt, aber die gesetzliche Krankenversicherung nicht übernimmt. Aber darf der Volkswohl Bund hier eine Grenze ziehen, was sinnvoll ist und was nicht?

Und der Einkommensausfall ist über den Baustein GehaltPlus abgefangen. Was ist aber mit den verlorenen Rentenansprüchen für eine evtl. später hinzukommende Erwerbsminderungs- oder die noch wahrscheinlicher zu erreichende Alters-Rente? Wird diese in Bezug auf den Status Quo zum Zeitpunkt des Unfalls ergänzt oder werden hier anzunehmende Gehaltssteigerungen und mögliche Beförderungen einkalkuliert?

Auch die Angemessenheit vieler Forderungen wie etwa die Ermöglichung der Fortführung von Hobbies ist zu diskutieren.

Sinnvolle Erweiterung der Produktpalette

Das Produkt ist ohne jede Frage eine sinnvolle Erweiterung des Angebots und ich auch in keiner Weise schlecht machen. Es bedarf noch einiger dieser Tarife, um einen sinnvollen Qualitätsvergleich anzustrengen.

Es wäre wünschenswert, wenn sich Vermittler mit Pioniergeist fänden, die Gleichgewicht ihren Kunden näherbbrächten. Sicherlich schadet es nicht, diese Kunden obligatorisch mit einer Rechtsschutz-Versicherung auszustatten, da die Bedingungen noch im erbarmungslosen Feuer der Rechtsprechung rund zu schmieden sind.

Dieses Schicksal steht der Grundfähigkeits-Versicherung ebenso bevor, wie die Berufsunfähigkeits-Versicherung eben jenes Schicksal zu einem großen Teil bereits hinter sich hat.

Eigentlich aber nicht so sehr, da ja die Schadenfälle aus der Haftpflicht-Versicherung kommen. Und da gibt es schon einiges an Erfahrung.

Unterm Strich

Unterm Strich empfiehlt sich der neue „Unfall“-Tarif des Volkswohl Bundes vor allem für Selbständige, die sicherlich einiges mehr an unfallbedingten Kosten geltend machen könnten als Angestellte, und Künstler, Musiker und alle, die schon bei geringen Einschränkungen ihrer Fingerfertigkeit mit großen finanziellen Einschränkungen rechnen müssen.