Die Gothaer Lebensversicherung AG hat mit der Gothaer Berufsunfähigkeitsversicherung Plus einen neuen Tarif herausgebracht. Eigentlich sollte er nicht Plus, sondern Minus heißen. Denn das Auffälligste an der neuen Berufsunfähigkeitsversicherung ist der schlanke Aufbau. Das ist nichts Schlechtes. Ich mag das sogar. Die einen streben nach Perfektion, indem sie immer mehr hinzufügen. Die anderen sehen die Perfektion dann erreicht, wenn sich nichts mehr wegnehmen lässt.

Was ist neu an der Gothaer Berufsunfähigkeitsversicherung Plus?

Außer an der fehlleitenden Namensgebung Gothaer Berufsunfähigkeitsversicherung Plus lässt sich auf den ersten Blick auch nichts bemängeln. Die Definition des Leistungsauslösers ist erwartungsgemäß gelungen. Die Leistung wird fällig, wenn die versicherte Person voraussichtlich sechs Monate berufsunfähig sein wird oder in den letzten sechs Monaten tatsächlich BU war.

Altersentsprechender Kräfteverfall

Manche dürften sich daran stören, dass der Kräfteverfall mehr als altersentsprechend sein muss. Das ist zunächst mal dem Marktstandard und eben auch der Formulierung des § 172 VVG entsprechend. Immer mehr Mitbewerber weichen hiervon ab und leisten bei Kräfteverfall, ohne dass dieser mehr als altersentsprechend sein müsste.

Einerseits dürfen wir davon ausgehen, dass die meisten BU-Versicherer sich im Laufe der Produktentwicklung vielleicht auch mal den § 172 VVG angesehen haben. Eine Abweichung davon ist also sicherlich einigermaßen bewusst, weshalb anzunehmen ist, dass diese Versicherer auch bewusst Leistungsfälle in Kauf nehmen, die eben auf einfachem Kräfteverfall beruhen.

Anderseits lässt sich auch theoretisch kein einziger Fall von einfachem Kräfteverfall konstruieren. Und wenn doch, würde das bedeuten, dass ein Aktuar in Kauf nimmt, dass in einem gewissen Alter ein ganzes Kollektiv auf einmal berufsunfähig ist.

Der einzige denkbare Vorteil wäre also, dass dem Versicherten im Zweifelsfall erspart bliebe zu beweisen, dass sein Kräfteverfall mehr als altersentsprechend wäre. Das ist aber auch eher theoretischer Natur.

Deshalb soll das erwähnen des Altersentsprechendem der Gothaer nicht zu sehr angekreidet werden.

Gute Stundungsregelung

Im Positiven stundet der Versicherer automatisch bei einem Leistungsantrag die Beiträge. Das ist nun auch nicht unbedingt weltbewegend, aber es ist doch sicherlich angenehmer, wenn etwas automatisch passiert, als wenn es beantragt werden muss.

Mehr ins Gewicht fallen dürfte die Definition der zumutbaren Einkommensreduzierung bei der konkreten Verweisung. Die Gothaer begrenzt hier auf maximal 20%, schreibt aber in den Bedingungen fest, dass sie einen geringeren Prozentsatz gelten lässt, sollte der Bundesgerichtshof diesen festlegen. Außerdem könne schon heute in begründeten Einzelfällen eine geringere Einbuße unzumutbar sein.

Vor Gericht würde das auch schon heute pro Einzelfall entschieden werden. Dass die Gothaer aber schon in den Bedingungen den Versicherten darauf hinweist, lässt vermuten, dass Rechtstreitigkeiten eher vermieden werden wollen.

Diese Definition der Einkommensminderung gilt für Selbständige entsprechend.

Durchwachsene Definition bei Studenten und Azubis

Die Definition der Studenten und Azubis ist mit gemischten Gefühlen zu betrachten. Bei den Studenten ist bei der Leistungsprüfung das Mindestanforderungsprofil der Berufe zugrunde gelegt, die der Student nach Abschluss ausübt. Das bedeutet einerseits, dass es möglich wäre, dass das Mindestanforderungsprofil weniger anspruchsvoll ist als das der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit. Dann wäre ein BU-Grad von 50% schwerer zu erreichen. Andererseits könnte es in der konkreten Verweisung von Vorteil sein. Der später ausgeübte Beruf übertrifft vielleicht das Studium an Einkommen und Ansehen.

Bei Azubis ist das Problem kleiner, aber doch ähnlich geartet.

Wer innerhalb der ersten 12 Vertragsmonate mit seinem Partner zusammenlebt und ein Kind hat, das im gleichen Haushalt wohnt, bekommt einen Familienbonus gewählt. Dieser reduziert den Netto-Beitrag, aber folgerichtig selbstverständlich nicht den Brutto-Beitrag.

Unterm Strich ist zu hoffen, dass die Gothaer Berufsunfähigkeitsversicherung Plus den Beginn eines Wandels markiert. Denn wir brauchen nicht noch mehr kleine Verbesserungen, die den Schutz für die meisten unbezahlbar machen. Wichtig ist, bezahlbare und sinnvolle Lösungen für alle Berufsgruppen zu schaffen, die mehr und mehr durchs Raster fallen.