Um ein Problem besser zu verstehen, hilft es manchmal, einen Schritt zurückzutreten. Und dann in aller Ruhe das Ganze im Zusammenhang betrachten. So ist es auch bei der Berufsunfähigkeit bzw. der Berufsunfähigkeits-Versicherung.

Es ist leicht, zu schimpfen, die Versicherung würde nie zahlen oder den Leistungsfall unnötig in die Länge ziehen. Aber wenn ich verstehe, was Berufsunfähigkeit bedeutet, kann ich vielleicht auch eher die Probleme im Leistungsfall verstehen und vermeiden.

Was bedeutet Berufsunfähigkeit?

Ich muss nicht komplett unfähig sein, um berufsunfähig zu sein. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn ich aus gesundheitlichen Gründen nur noch zur Hälfte arbeiten kann. Und das für mindestens 6 Monate. Dass das passiert, kann ich mir schon vorstellen. Also, nix mit Kopf unterm Arm.

Ich muss vier Dinge nachweisen, um eine Leistung zu erhalten:

  1. Ich habe eine gesundheitliche Einschränkung.
  2. Wie ich gearbeitet habe, als ich noch gesund war.
  3. Dass ich jetzt nur noch zu maximal 50% arbeiten kann wie vorher. Und das wegen der Krankheit.
  4. Das Ganze läuft schon seit 6 Monaten oder läuft nachweislich so lange.

Was ist eine gesundheitliche Einschränkung?

Für die Versicherer ist das jede Krankheit, Körperverletzung oder der Kräfteverfall. Da fallen körperliche Einschränkungen, somatoforme Störungen und psychische Erkrankungen gleichermaßen drunter. Der Kräfteverfall ist dazu da, dass ich es nicht so schwer habe, zu beweisen, dass die Krankheit direkt schuld ist, dass ich nicht arbeiten kann. Das muss nicht sein. Deswegen führt ja schon auch eine Infektion zur Berufsunfähigkeit, selbst wenn ich nicht eingeschränkt bin. Aber wenn ich ansteckend bin und deswegen nicht arbeiten kann (oder sinnvollerweise sollte), bin ich auch schon BU.

Der Nachweis der Krankheit läuft ganz normal über den Arzt. Das sollte auch jedem Kunden klar sein, wie das geht.

Was sind die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeiten?

Hier ist es schon schwieriger. Aber auch nur vom Verständnis. Frag ich einen Durchschnittsmenschen auf der Straße, was seine ausgeübten Tätigkeiten in seinem Job sind, antwortet er wahrscheinlich: Ich bin Bäcker.

Damit kann der Versicherer aber nix anfangen. Denn jeder Bäcker backt anders. Der Versicherer will wissen, wie viele Minuten am Tag arbeitest du durchschnittlich im Stehen, wie viel im Sitzen, wie viel unter Stress, wie viel mit der Hand, wie viel davon feinmotorisch, wie viel mit Kraft usw.

Und wenn ich einen abwechslungsreichen Arbeitsplatz habe, mach ich besser ne Wochenliste. Es soll halt ein Durchschnitt herauskommen. Bei einem Bauern muss in der Liste stehen, dass ich ernte und säe. Auch wenn das innerhalb eines Tages oder einer Woche nur selten vorkommen wird.

Dabei ist aber nicht nur wichtig, wie lange ich welche Tätigkeit ausübe. Es kommt ebenso darauf an, wie wichtig welche Tätigkeit für andere Tätigkeiten ist. Wenn ich als Bäcker nicht mehr kneten kann, muss ich auch kein Brot in den Ofen schieben. Logisch.

Wie stelle ich die 50% Berufsunfähigkeit fest?

Ich filtere quasi meine Tätigkeiten durch die gesundheitlichen Einschränkungen. Was rauskommt, ist meine Berufsunfähigkeit. Angenommen, ich hab Probleme mit dem Handgelenk. Dann bin ich bei allen Tätigkeiten, die ich mit der Hand ausführe, bis zu 100% eingeschränkt. Bei Tätigkeiten, die nix mit meiner Hand zu tun haben, bin ich überhaupt nicht eingeschränkt.

Hier liegt das größte Potential an Missverständnissen in der Leistungsfall-Bearbeitung. Wenn ich keine Unterstützung habe, kann sich das extrem in die Länge ziehen.

Um vorzubeugen muss ich meine Tätigkeiten so genau wie möglich beschreiben. Vor allem die, die wegen meiner Erkrankung nur noch eingeschränkt möglich sind. Oft versteht der Leistungsfall-Prüfer einfach nicht, wie ich meine Tätigkeit ausführe und warum meine Einschränkung mich daran hindern sollte.

Der Nachweis der 6 Monate ist dagegen lächerlich einfach. Entweder war ich schon so lange BU oder der Arzt bescheinigt, dass ich es sein werde. Letzteres ist eher selten.

Unterm Strich

Und das sind nur die Schwierigkeiten, wenn der Fall reibungslos verläuft. Darüber hinaus kann es auch Probleme mit den Gesundheitsfragen oder den Meldefristen geben. Aber hier wollt ich nur mal zeigen, was der Begriff Berufsunfähigkeit überhaupt bedeutet.