In der heutigen Zeit wird eine Meinung um so vehementer vertreten, je mehr es der Meinung an einer sachlichen Grundlage entbehrt. Deswegen freue ich mich immer, wenn ich auf eine fundierte Meinung treffe, die von meiner im Ergebnis abweicht. Nicht selten ist der Urheber dieser parallelen Meinung der geschätzte Kollege Gerd Kemnitz. Dieses Mal geht es um die Anpassungsmöglichkeiten ausländischer Versicherer und meine Aufklärungspflichten bei meinen gelegentlichen Tarifbesprechungen zur Berufsunfähigkeits-Versicherung im VersicherungsJournal. Herr Kemnitz wies mit gutem Recht darauf hin, dass die Canada Life aufgrund ihrer Kalkulation ohne Brutto- und Nettobeitrag keinerlei Anpassungsmöglichkeiten hat, sollte sich das Risiko über die Laufzeit unkalkulierbar verändern.

Hinzukommt, dass das Unternehmen, obwohl es sich dessen bewusst sein muss, auf die Anpassungsmöglichkeiten, die der §163 VVG bieten würde, verzichtet.

Die letzte Reißleine, der §314 VAG gilt für die Canada Life nicht, weil der Sitz in Irland ist und es in Deutschland keine Versicherungs-Niederlassung, sondern nur eine Niederlassung eines irischen Versicherers gibt.

Es gilt für das Unternehmen, nicht für den Vertrag, also teilweise irisches, teilweise deutsches Aufsichtsrecht.

Die Anpassungsmöglichkeiten ausländischer Versicherer

Meine Recherchen haben keinerlei Hinweise gefunden, dass es die Möglichkeit gäbe, Bestände zu schließen und diese nach Belieben zu sanieren, gar abzufinden. Eine Entsprechung des §314 VAG, also entsprechende Anpassungsmöglichkeiten ausländischer Versicherer, findet sich nicht. Viel mehr ist festgelegt, dass Forderungen der Kunden im Insolvenzfall ausgesondert werden und Vorrang vor allen anderen Forderungen haben.

Nur für den theoretischen Fall, dass ein Unternehmen völlig ohne Substanz liquidiert wird, könnte der Kunde leer ausgehen.

Selbstverständlich und nur logisch ist, dass ein Unternehmen, das in die Insolvenz geht, sicherlich nicht mehr im vollen Umfang die Ansprüche des Kollektivs erfüllen kann. Es wird also, wie auch gemäß §314 VAG, zu Einschränkungen kommen.

Ob eine Patronatserklärung vorliegt oder nicht, ist in meinen Augen nicht relevant. Denn eine solche Erklärung hat keinerlei Wirkung in die Zukunft und kann jederzeit wieder entzogen werden. Aber auch hier darf es gerne mehr als eine Meinung geben. Im Falle der Canada Life ist es aber unwahrscheinlich, dass ein börsennotiertes Unternehmen eine Tochtergesellschaft mit gleichem Namen einfach gegen die Wand fahren lässt. Der Schaden würde sich im Mutterkonzern vervielfachen.

Der Kunde sollte selbstverständlich wissen, dass für Versicherer wie z.B. die Canada Life teilweise andere Vorschriften gelten. Selbstverständlich erkläre ich meinem Kunden die Anpassungsmöglichkeiten ausländischer Versicherer. Aber da erkläre ich auch, dass ein deutscher Versicherer ohne große Hürden den Beitrag bis zum Brutto anpassen kann.

Die Anpassungsmöglichkeiten deutscher Versicherer

In Folge dieser Anpassung zum Brutto würden die gesunden Risiken das sinkende Schiff verlassen. Es käme zu einer unvorhersehbaren Entmischung des Kollektivs. Und die vorher von einem gewissenhaften Aktuar kalkulierten Prämien sind nicht mehr ausreichend. Würde das ein unabhängiger Treuhänder bestätigen, könnte der deutsche Versicherer nach §163 VVG die Beiträge auch über den Brutto-Beitrag hinaus erhöhen. So hoch, wie es halt notwendig ist, um das Kollektiv unter den neuen Umständen versichern zu können.

Wenn ich die neuen Beiträge nicht zahlen kann oder will, kann ich verlangen, dass die Leistung im gleichen Verhältnis gekürzt wird.

Und sollte das deutsche Unternehmen dennoch in Schieflage geraten, kann es über den §314 VAG, sofern die BAFin zustimmt, die Leistungen aussetzen oder so weit kürzen, dass es wieder leistungsfähig wäre. Die Kürzungen der Leistung finden bei gleichbleibender Prämie statt.

Meine einfache Begründung, warum ich nicht die Konzernstruktur und die daraus entstehenden Folgen in dem Artikel nicht besprach, ist einfach. Weil ich auch nicht bei jedem Artikel zu einem deutschen Versicherer die Gefahr des Brutto- und Netto-Beitrags und dessen Folgen aufführe. Das wäre nach dem dritten Mal langweilig.

Der Unterschied zwischen einem deutschen und einem ausländischen Unternehmen greift erst auf der Ebene des Aufsichtsrechts. Denn das Vertragsrecht ist ja in beiden Fällen deutsch.

Mir ist klar, dass ein Verzicht auf die Anwendung des §163 VVG die Situation verschärft. Aber ich durfte lernen, dass die wenigsten Aktuare tagsüber von der Kellerdecke hängend schlafen und Unternehmen ein grundsätzliches Interesse an Gewinnen haben. Deshalb ist es wohl in den meisten Fällen auszuschließen, dass ein Konzern, egal, woher er kommt, einen Tarif oder einen Bestand absichtlich an die Wand fahren lässt. Kein Versicherer ist nur böse. Es geht immer um Gewinne 🙂

Die Anpassungsmöglichkeiten ausländischer Versicherer sind nicht unbedingt schlimmer

Meine Entscheidung ließe sich auch damit begründen, dass sowohl der §314 VAG als auch das irische Recht den Normzweck verfolgen, in erster Linie das Unternehmen zu schützen und nicht den Kunden. Im Ergebnis wird es sicherlich auch sehr ähnlich laufen. Denn auch, wenn die Forderungen der Kunden nach irischem Recht Vorrang haben, wird es zu Einbußen kommen.

Klar, gäbe es in Deutschland auch noch Protektor, um gestrauchelte Versicherer aufzufangen. Aber hier fehlt es mir an betriebswirtschaftlichem Wissen, um zu errechnen, ab welcher Bestandsgröße Protektor nicht mehr in der Lage wäre zu helfen. Deswegen kann ich auch meinen Kunden nicht sagen, dass schon nix passieren würde.

Ob nun die Anpassungsmöglichkeiten deutscher oder ausländischer Versicherer besser sind, kann ich nicht sagen. Sie sind anders. Ich kann quasi nur entscheiden, wann und wie mich der Bär beißt.

Unterm Strich bleibt mir nur noch zu sagen, dass meine Artikel grundsätzlich keine Bedienungsanleitungen sind, denen Schritt für Schritt zu folgen ist. Ich möchte nur in der Kürze der Zeit auf ein paar Besonderheiten, mal vertrieblich, mal haftungstechnisch, hinweisen. Die Artikel ersetzen keine Prüfung am individuellen Bedarf des Kunden. Und wenn jemand bei seiner eigenen Prüfung nicht meiner Meinung ist, bin ich nicht böse. Ich freue mich über jeden, der Meinung und Ahnung hat. Und schließlich ist keiner meiner Artikel in der Lage, eine bedarfs- und bedürfnisgerechte Beratung zu ersetzen.