Zu allererst können wir uns darauf einigen, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung besser ist als keine. Aber trotzdem fragen mich Kunden und Kollegen immer wieder, ob es nicht sinnvoller sei, 2 Berufsunfähigkeitsversicherungen abzuschließen. Das sei ein Vorteil. Aber ist das wirklich so?
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Wann sind 2 Berufsunfähigkeitsversicherungen besser als eine?
Es gibt drei Vorteile, die mehr oder weniger nachhaltig sind. Einer davon ist sogar ein bisschen bescheuert, also fang ich mit dem an 🙂
Berufsunfähigkeitsversicherungen sind immer nur so gut, wie sie im Ernstfall dann auch leisten. Vorher kann ich zwar Bedingungen vergleichen, aber wenn ich im Leistungsfall keine Unterstützung habe, kann es schwierig sein. Denn es kann durchaus sein, dass ein Versicherer gerade ein schlechtes Jahr hat und deswegen extrem genau prüft. Oder auch einfach der eine Mensch, der meinen Fall übernommen hat, einen Fehler macht. Sowas kann, absichtlich oder nicht, den Leistungsfall ganz schön in die Länge ziehen.
Wenn ich mein Risiko nun auf 2 Berufsunfähigkeitsversicherungen verteile, sinkt die Wahrscheinlichkeit, beide Male Probleme zu haben.
Dagegen steht selbstverständlich sofort, dass ich zwei Bögen ausfüllen muss und ich alle Unterlagen zwei Mal kopieren muss. Und es könnte auch passieren, dass beide Versicherer verschiedene Nachfragen haben. Ich habe also den garantierten Mehraufwand, aber dafür die Möglichkeit, dass wenigstens einer von beiden schnell leistet.
In Zeiten der Digitalisierung ließe sich der Mehraufwand auch begrenzen. Und wer es drauf hat, kann auch mit den beiden Versicherern verhandeln, dass nur einer prüft und der andere sich an die Entscheidung hält. So spart sich einer die Kosten der Prüfung. Könnte ja klappen 🙂
Ich will aber nicht drum rum reden… Das beste Argument für 2 Berufsunfähigkeitsversicherungen ist es nicht. Vielleicht sogar das schlechteste. Ziemlich sicher sogar…
Verteilt auf 2 Berufsunfähigkeitsversicherungen hab ich höhere Nachversicherungsgarantien.
Jede BUV hat sogenannte Nachversicherungsgarantien. Entweder nach einem oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder nach bestimmten Ereignissen, wie z.B. Hochzeit, Scheidung, Immobilienerwerb, hab ich die Möglichkeit ohne Gesundheitsprüfung bzw. ohne Risikoprüfung gegen Mehrbeitrag die versicherte Rente zu erhöhen. Nur nebenbei: Wenn der Versicherer nur auf die Gesundheitsprüfung verzichtet, muss ich einen Berufswechsel bei der Nachversicherungsgarantie angeben. Das kann teuer werden, wenn der Schüler jetzt Schreiner ist.
Diese NVG ist bei fast allen Versicherern auf 2.500 Euro begrenzt. Ein Akademiker, der als Student 1.500 Euro versichert hat, kann also nur um 1.000 Euro erhöhen. Wenn er mal mehr brauchen würde, müsste er nen neuen Vertrag inkl. neuer Gesundheitsprüfung abschließen. Wenn er 2 Berufsunfähigkeitsversicherungen hat, kann er auf insgesamt 5.000 Euro erhöhen. Logisch, oder?
Das Argument gefällt mir schon besser. In vielen Fällen lässt sich schon ganz gut absehen, was später mal an Bedarf da sein wird. Ein Arzt, der eine Praxis übernimmt, kann schon mal Verbindlichkeiten von 5-10.000 Euro im Monat haben. Da sollte ich besser mehrere Verträge abschließen, um dann schnell auf eine vernünftige Höhe zu kommen. Wenn ich die Ausgaben der Zukunft kenne, sollte ich jetzt was unternehmen…
Verteilt auf 2 Berufsunfähigkeitsversicherungen muss ich kein ärztliches Zeugnis vorlegen.
Der häufigste Grund für zwei BUV, der mir so im Alltag begegnet ist dieser hier. Ich muss bei den meisten Versicherern erst ab 2.500 Euro Rente ein ärztliches Zeugnis vorlegen. Das ist meist dem Kunden und dem Vermittler zu stressig, weshalb der Weg über zwei Verträge gegangen wird. Da die Versicherer hier nicht interessiert, was andere machen, klappt das auch. Ich muss dann aber meistens doch einen Fragebogen ausfüllen. Denn neben der gesundheitlichen Risikoprüfung gibt es auch die finanzielle RP. Dabei geht es darum zu vermeiden, dass ich bei Berufsunfähigkeit mehr Geld bekomme als in der Arbeit. Denn wenn ich als BU-Leistungsfall mehr verdiene, hab ich wahrscheinlich eher keine Lust, jemals wieder zu arbeiten. Deswegen zählen hier alle bestehenden und geplanten Verträge zusammen.
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Wer aber die strengere Gesundheitsprüfung deswegen vermeiden will, weil er was zu verbergen hat, begeht hier einen schwerwiegenden Fehler. Denn es geht ja offensichtlich um mehr als 2.500 Euro. Und bei einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gibt es nix, wenn der Leistungsfall in den ersten 10 Jahren eintritt. Das zusätzlich Dumme ist hier: Die Tatsache, dass ich zwei Verträge abgeschlossen habe, um die strengere Prüfung zu vermeiden, ist schon ein starkes Indiz für Arglist.
Wenn es nur knapp über die 2.500 Euro gehen soll, kann ich ja für die ersten Jahre eine hohe Beitragsdynamik vereinbaren, die ich dann anpasse oder kündige, wenn ich die gewünschte Höhe erreiche. Das ist zwar nicht sofort gut, aber auf jeden Fall weniger verdächtig 🙂
Lieber gleich richtig machen…
Wenn ich also über 2.500 Euro absichern will, dann sollte ich in den sauren Apfel beißen und gleich ärztliches Zeugnis, Blutwerte usw. besorgen und einreichen. Denn dann ist es so gut wie unmöglich, dass der Versicherer im Leistungsfall Probleme wegen einer möglichen Verletzung der Vorvertraglichkeit macht. Ich hab ja alles offengelegt. Lieber jetzt Stress als im Leistungsfall. Denn im Leistungsfall bin ich krank und hab vermutlich noch weniger Lust, mich mit sowas herumzuärgern.
Und um das Risiko zu halbieren gibt es noch eine Möglichkeit. Ich kann ja erst eine BU-Versicherung mit 2.500 Euro abschließen und warten, bis diese angenommen ist. Dann kann ich einen weiteren Vertrag beim gleichen Versicherer inkl. Labor machen. Stellt das Labor was fest, habe ich immerhin den ersten Vertrag sicher. Wenn nicht, habe ich beide Verträge sicher.
Der geschätzte Kollege Dr. Berndt Schlemann aus Köln hat tatsächlich meinen Artikel gelesen und bat mich zu ergänzen, dass die Versicherer bei allen Fragebögen und ärztlichen Zeugnissen nicht zeitlich begrenzen, was anzugeben ist und was nicht. Daraus ergibt sich eine erweiterte Anzeigepflicht und somit steigt die Gefahr, diese unbewusst zu verletzen. Um das zu vermeiden, nutzen Herr Dr. Schlemann und ich den einfachen Hinweis, dass für die Formulare die gleichen Abfragezeiträume des Antrags gelten. Mit dieser Formulierung gab es bisher keinerlei Probleme. Dr. Schlemanns ausführlichen und lesenswerten Artikel zu diesem Thema ist hier zu finden.
Unterm Strich
Es ist also wie immer. Es kommt drauf an. Zwei oder mehrere Berufsunfähigkeitsversicherungen abzuschließen ist dann sinnvoll, wenn ich nach der Ausbildung oder dem Studium schnell die versicherte Rente ohne erneute Gesundheitsprüfung erhöhen will. Oder auch für Start-Ups. Jeder der sich neu selbständig macht, hat erst mal zu wenig Geld. Wenn es dann läuft kann der Bedarf nach oben korrigiert werden. Und das geht mit zwei Versicherungen leichter und schneller. Selbstverständlich müssen Selbständige und Studenten auch noch auf andere Dinge achten. Aber darüber hab ich ja schon geschrieben 😉
Die Rentenhöhe auf zwei Verträge zu verteilen, um eine strengere Gesundheitsprüfung zu vermeiden, kann sich im Leistungsfall als Boomerang erweisen.
Und ob es aus Gründen von Mischung und Streuung sinnvoll ist, sei mal unkommentiert.
Auf jeden Fall sollte ich die Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen im Hinterkopf haben, wenn ich die Berufsunfähigkeitsversicherung suche, die perfekt zu mir passt.
Die Argumente greifen für den gleichzeitigen oder zeitnahen Abschluss zweier BUV. Das halte ich auch für suboptimal. Für den Arzt gibt es übrigens auch noch die Praxisausfallversicherung.
Es kann aber sehr sinnvoll sein, auf eine bestehende BUV nach ein paar Jahren eine zweite „draufzusatteln“ wahrscheinlich auch bei einem anderen Versicherer. Dann hat man für die alte die aus aktueller Sicht nicht so guten Bedingungen aber das alte Eintrittsalter und die überstandene Gesundheitsprüfung und für die neue die optimalen Bedingungen (bei Wenzel abgeschlossen sowieso, aber auch ich gebe mein bestes). Im Idealfall – und der dürfte in Praxis mehrheitlich zutreffen – leisten beide, sonst wenigstens die neue.
Die Praxisausfall-Versicherung ist bei Ärzten immer zu empfehlen. Da gibt es aber nur eine Handvoll Anbieter, oder? Da es sich um eine Sachversicherung handelt, bin ich da nicht sooooo der große Experte 🙂
Vielen Dank für den Hinweis, Herr Kollege Schmerl!
Verrückt. Einerseits lässt sich natürlich nicht jeder Arzt nieder. Andererseits ist der Arzt (Humanmediziner vorausgesetzt, nicht Zahnärzte) zum Zeitpunkt der Niederlassung auch schon ein paar Tage älter, zumeist Ende 30 oder 40+ und natürlich haben wir auch ganz andere Leistungsvoraussetzungen (neben gesundheitlichen Gründen, z.B. das die Praxis abfackelt), Absicherungshintergründe und Zahldauern im Leistungsfall. In dem Alter sollte das Thema BU schon unter Dach und Fach sein.
Zudem macht eine Praxisausfallversicherung zumeist nur bei Einzeilpraxen, nicht aber BAG’s Sinn. Mehrere Ärzte einer Praxis (mit zumeist unterschiedlichem Eintrittsalter und unterschiedlichen Gesundheitshistorien) in einem Vertrag macht bezüglich Ausfall auf Grund Gesundheit wenig Sinn. Das gibt nur Ärger. Dann lieber Krankentagegeldversicherung und Praxisausfall nur für Sachrisiken (Feuer, Vandalismus, etc.), womit wir wieder bei der Zahldauer im Leistungsfall wären.
Und ja, bei Ärzten machen 2 Verträge oft Sinn. Schon allein weil die durchschnittliche Gehaltsentwicklung über den üblicherweise einschließbaren Beitragsdynamiken liegt und es nochmal zusätzliche Gehaltsprünge nach oben gibt bei Facharztanerkennung, darauf folgend die Oberarztstelle und halt je nach Fachgebiet unterschiedlich häufig (ein/e Pädiater/in lässt sich halt mit höherer Wahrscheinlichkeit nieder als Fachärzte der Anästhesiologie) die ärztliche Niederlassung
Wie gesagt: Praxisausfall ist nicht unbedingt mein Steckenpferd. Aber die Hinweise sind plausibel und wenn Michael Schreiber das schreibt, dann hat das sicherlich Hand und Fuß 🙂
Ja, ungeachtet dessen, dass die Praxisausfall mit KT-Leistung oft als steuerlich absetzbar verkauft wird, was aber nicht stimmt. Das VU kann den Sach- und den KV-Anteil trennen und müsste das eigentlich auch für die saubere Abrechnung als Betriebsausgabe beim Finanzamt tun. Hier hantieren zwiellichte Vermittler oft auf heißen Kohlen sitzend.
Anscheinend gibt es einige Praxisausfall-Experten da draußen! Danke für den Input!
Lieber Kollege Wenzel,
alles sehr stichhaltig! Ich möchte aber beim „sauren Apfel“ stregere Gesundheitsprüfung widersprechen und zwar wg. „was der Kunde nicht (noch) weiß, muß er nicht gerade beim BU-Antrag herausfinden“. Mir ist es schon mehrfach passiert, daß gerade wenn ich auch Laborwerte wg. BU-Höhe brauche plötzlich beim GESUNDEN Kunden ein leicht erhöhter Cholesterinwert o.ä. rauskommt, der vorher n.n. bekannt war. Insofern versuche ich eine aktuelle Untersuchung insbes. mit großem Labor zu vermeiden.
Da ist was Wahres dran. Die Lösung: BU bis zur Untersuchungsgrenze abschließen und nach Policierung dann großes Labor und zweiten Antrag einreichen 🙂