Mitarbeiterbindung ist aufgrund der demografischen Entwicklung ein wichtiges Thema. Weniger Geburten bedeuten, dass es künftig immer weniger Arbeiter gibt. Da ist es nur konsequent, wenn Arbeitgeber nach Wegen suchen, ihr Unternehmen aufzuhübschen, um für die verbleibenden Arbeitnehmer am ausgedünnten Arbeitsmarkt attraktiv zu sein. Die Rheinland Versicherung hat sich mit der Credit-Life dieses Themas angenommen und eine betriebliche Arbeitsunfähigkeitsversicherung (AU-Versicherung) auf den Markt gebracht.

Vertrieblich einfaches Produkt der Credit-Life

Vertrieblich ist das Produkt schnell erklärt: Es verspricht dem Arbeitnehmer eine Lohnfortzahlung über den 42. Tag hinaus. Bedingungsgemäß kommt der Versicherer für die prognostizierte Lücke zwischen dem gezahlten Krankengeld und dem regulären Nettoeinkommen auf. Die versicherte Leistung ist auf maximal 600 Euro im Monat beschränkt – was im Schnitt ausreichend sein dürfte.

Die Versicherungsleistung orientiert sich am Einkommen und ist in acht Stufen aufgeteilt von 1 bis 1.000 Euro Bruttoeinkommen, für die 165 Euro an monatlicher Renten-Leistung erbracht würden, bis zu 4.001 bis 4.237 Euro, für die 500 Euro monatliche Versicherungsleistung angedacht sind. Die Prämie liegt zwischen 6,80 Euro und 19,10 Euro Monatsbeitrag. Tarifliches Weihnachts- oder Urlaubsgeld berücksichtigt die Credit-Life bei der Ermittlung der Versicherungssumme, Tantiemen oder leistungsbezogene Boni nicht.

Achtung bei neuem Leistungsbedarf!

Sollte sich der Leistungsbedarf ändern, darf der Versicherer den Beitragssatz ändern. Dabei erfolgt die Ermittlung der Veränderung des Leistungsbedarfs für jedes Risiko gesondert. Dadurch dürften in kleinen Gruppenverträgen schon wenige Leistungsfälle zu erheblichen Anpassungen führen. Eine Anpassungsmöglichkeit ist für den Versicherungsnehmer grundsätzlich schon eine beachtliche Übertragung des biometrischen Risikos. Durch die Verengung des Kollektivs auf den einzelnen Gruppenvertrag ist dieses Risiko für den Arbeitgeber deutlich verschärft.

Prämienkalkulation ist Versicherungsaufgabe

Der Gedanke der Credit-Life dahinter mag sein, dass er eine negative Selektion vermeiden will, da die Prämienkalkulation grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten Gewerbe ist. Und eine IT-Firma wird wohl weniger länger andauernde Krankheitsfälle haben als eine Eisengießerei.

Trotzdem ist die Kalkulation einer risikogerechten Prämie für große Kollektive die Aufgabe des Versicherers. Durch die gesonderte Betrachtung der einzelnen Risiken bei einer Anpassung des Leistungsbedarfs wird die zukunftsgerichtete Kalkulation durch eine nachträgliche Abrechnung ersetzt.

Versicherungsgedanke gefährdet!

Der Grundgedanke der Versicherung ist dadurch stark ausgehöhlt.

Es gilt eine Wartezeit von drei Monaten, die bei unfallbedingten Ansprüchen entfällt. Die Wartezeit ist zum Schutz des Kollektivs sehr sinnvoll. Da die betriebliche AU-Versicherung der Credit-Life ein Gruppenvertrag ohne Gesundheitsprüfung ist, kann der Versicherer so verhindern, dass Betriebe absehbare Leistungsfälle noch schnell versichern. Die Wartezeit von gerade mal drei Monaten ist dabei noch relativ übersichtlich.

Durch die oben erwähnte Anpassungsmöglichkeit der Credit-Life ist allerdings zusätzlich unwahrscheinlich, dass der Arbeitgeber vorsätzlich kranke Mitarbeiter dem Kollektiv zuführt.

Gefahr der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung

Hinzu kommt, dass AU-Zeiten, deren Bevorstehen der versicherten Person bei Vertragsabschluss bekannt waren, von der Leistung ausgeschlossen sind. Damit wäre die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt. Der Nachweis dürfte dem Versicherer allerdings nur bei einer schon geplanten Operation gelingen, da selbst bei einer bestehenden Erkrankung nicht akut von einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen ausgegangen werden muss. Zumal diese ja für mehr als 42 Tage bestehen muss.

Karenzzeiten beachten

Die Karenzzeit beträgt deswegen auch sinnvollerweise 42 Tage. Beschränkt ist die Versicherungsleistung analog zum gesetzlichen Krankengeld auf 72 Wochen innerhalb von 3 Jahren wegen derselben Erkrankung beziehungsweise Unfallfolge.

Die unverkennbare Ähnlichkeit zu einem Krankentagegeld wird es höchstwahrscheinlich notwendig machen, den Abschluss dieser Versicherung einem eventuell bestehenden Krankentagegeld-Versicherer zu melden. Selbst wenn es nicht zwingend notwendig wäre, wäre es ratsam abzuklären, ob beide Produkte kompatibel nebeneinander laufen können.

Die Arbeitsunfähigkeit muss vollständig sein, der Versicherte muss seinen Beruf vorübergehend in keiner Weise ausüben können. Das wird bei strenger Auslegung so gut wie nie der Fall sein, da eine zumindest einprozentige Arbeitskraft sehr oft vorhanden sein dürfte. Der Anspruch auf die Leistung endet außerdem, wenn Berufsunfähigkeit vorliegt.

Eigene Definition der Berufsunfähigkeit

Bedingungsgemäß wird diese wie folgt definiert: „Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.“ Hierbei ist nicht definiert, was „auf Dauer“ bedeutet und auch nicht, was „teilweise“ sein soll. Eine genauere Definition wäre im Kundensinne wünschenswert.

Krasse Ausschlüsse

Ein Tarif ohne Gesundheitsprüfung benötigt beinahe zwangsläufig ein paar Einschränkungen der Leistungspflicht über Ausschlüsse. Diskutabel ist der Ausschluss einer AU durch Alkoholismus und Suchterkrankungen sowie eines Unfalls infolge von Trunkenheit. Es ließe sich durchaus argumentieren, dass Alkoholismus eine Krankheit wie viele andere auch ist.

Ausschluss der AU-Fälle

Eindeutigen Diskussionsbedarf weckt dann aber der Ausschluss von AU-Fällen, die durch Förderung von Gesundheitsstörungen verursacht werden. Dass damit nicht gemeint ist, wenn ich im Winter keine Mütze trage, ergibt sich schon daraus, dass die Arbeitsunfähigkeit mindestens 42 Tage andauern muss, um eine Leistung zu bedingen. Dennoch gibt es hier eine Menge Grenzfälle, in denen man durchaus von einer Förderung einer Gesundheitsstörung sprechen könnte. Man denke an einen Raucher, der wegen Krebs für längere Zeit krankgeschrieben wird.

Ausschluss von Extremsportarten

Ebenso auslegungsbedürftig ist der Ausschluss von Unfällen bei der Ausübung von Extremsportarten. Exemplarisch werden Base-Jumping, Free-Climbing, Fallschirmspringen und Tauchen in mehr als 30 Metern Tiefe genannt. Da die Aufzählung aber nicht abschließend ist, kann es auch hier zu Streitigkeiten kommen.

Fazit

Unterm Strich ist die betriebliche Arbeitskraftabsicherung derzeit noch viel eher eine gute Idee als ein guter Tarif.

Die Idee, vorübergehenden Lohnausfall aufgrund von Krankheit oder Unfall über einen Gruppentarif zu lösen, ist gut, da die Tarife so für viele bezahlbar werden, da Alter und Berufsgruppe nicht prämienrelevant sind. Darüber hinaus wird vielen der Zugang zu einer Versicherungslösung ermöglicht, denen dieser aufgrund von Vorerkrankungen nicht möglich war.

Aber eine gute Idee ist nun mal nicht ausreichend.
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind in der jetzigen Fassung an vielen Stellen zu ungenau und in der Beitragsanpassung hat der Versicherer zu viele Freiräume. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Tarif weiterentwickelt, um sich dann in einer verbesserten Variante als echte Alternative am Markt zu etablieren.