Ich wurde von einem Schornsteinfeger/Kaminkehrer/Schlotfeger angesprochen, ob ich helfen kann. Bringt Glück, hab ich mir gedacht. Die Fachkraft für vertikale Verschmutzung wollte wissen, ob es sinnvoll sei, Berufsunfähigkeit über den Arbeitgeber abzusichern. Die kurze Antwort lautet: Nein, aber…
Die lange könnt ihr jetzt lesen 🙂
Wie ist die Berufsunfähigkeit über den Arbeitgeber abzusichern?
Zunächst einmal ist zu klären, ob der Arbeitgeber die Berufsunfähigkeitsversicherung über eine Kollektivlösung oder über die betriebliche Altersvorsorge anbietet.
Handelt es sich um eine Kollektivlösung, dann ist es in der Regel so, dass mein Kunde versicherte Person und Versicherungsnehmer des Vertrags ist. Außerdem bezahlt er die Beiträge ganz normal von seinem Netto-Gehalt. Gesetzliche Grundlage für den Vertrag ist vor allem BGB, VVG und bissi VAG. Ganz grob.
Vereinfachte Gesundheitsprüfung in Kollektivlösungen
Hier wird oft mit vereinfachten Gesundheitsprüfungen und einer einheitlichen Berufsgruppe gearbeitet. Das führt zu zwei entgegengesetzten Effekten. Für den einzelnen, etwas kranken Handwerker ist es super, dass er mit zwei, drei Fragen zu einem günstigen Versicherungsschutz ohne Leistungsausschlüsse kommt. Für das Kollektiv, also für alle Versicherten in diesem Tarif bedeutet das, dass zu wenig Geld „in der Hinterhand“ ist, um die Leistungsfälle zu bezahlen. Und Leistungsfälle sind durch die vereinfachte Gesundheitsprüfung sogar noch wahrscheinlicher.
Unterm Strich könnte man sagen, dass diese Lösungen eine tickende Zeitbombe sind. Vereinfacht ausgedrückt. Denn gesunde Akademiker kommen woanders günstiger unter. Wir haben also keine Mischung aus gesund und ungesund. Und auch keine aus Akademiker, die eher unwahrscheinlich BU werden können und Handwerkern, die schon aufgrund von Knieproblemen BU werden können.
BUV in der bAV?
Reden wir aber davon, die Berufsunfähigkeit über den Arbeitgeber via bAV abzusichern, ist es etwas komplizierter. So kompliziert, dass ich mir hier selbst schon jede Kompetenz absprechen mag. Ich dilletier aber mal die größten Gefahren zusammen.
Das erste und furchterregendste ist die gesetzliche Grundlage. Die oben genannten Gesetze machen hier vielleicht noch 10-20% aus. Der größte Teil in der bAV ist Arbeitsrecht. Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Leistungszusage und muss über eine Versorgungsverordnung und eine Versorgungsregelung fixiert sein. Hat übrigens nix mit dem Versorgungswerk für Kammerberufe zu tun… Wenn ich das nicht oder falsch mache, hat der Arbeitgeber in vielen denkbaren Fällen ein großes Problem. Und der Arbeitgeber ist als Versicherungsnehmer ja mein Kunde. Da will ich ja die Probleme vermeiden.
Es könnte z.B. sein, dass die Definition der BU in der Zusage von der Definition des Versicherers abweicht. Dann muss der Arbeitgeber im dümmsten Fall die Leistung aus eigener Tasche bezahlen.
Ein lösbares Problem ist die Fortführung bei längerer Krankheit. Wenn ich die Berufsunfähigkeit über den Arbeitgeber in der bAV absichere, dann geschieht das in der Regel über Entgeltumwandlung. Mein Arbeitgeber bezahlt die Beiträge aus meinem Brutto-Gehalt. Das ist steuerlich spannend. Aber wenn ich vor einer BU längere Zeit krankgeschrieben bin, zahlt nach 42 Tagen niemand mehr die Beiträge zur BUV. Denn ohne Entgelt keine Entgeltumwandlung. Das muss geregelt sein. Meistens denkt da schon irgendwer dran.
Steuern sind das kleinste Problem
Kein großes Problem ist die steuerliche Behandlung. Der Steuervorteil bei der Beitragszahlung führt zu einer vollen Besteuerung im Leistungsfall. Das ist nicht weiter tragisch. Ich muss halt die versicherte Rente entsprechend höher wählen.
Wieder doofer ist die Frage nach der Portabilität. Kann ich, wenn ich meinen Job wechsle, die Berufsunfähigkeitsversicherung über den neuen Arbeitgeber fortführen? Und das würde ich verneinen. Ich hab zwar einen Anspruch auf Entgeltumwandlung, aber der Arbeitgeber bestimmt, was damit gemacht wird. Und wenn der neue keine BUV anbietet, sondern „nur“ ne Direktversicherung, kann ich nix machen.
Klar könnte ich in den meisten Fällen die BUV privat weiterbezahlen. Aber da sollte ich vorher klären zu welchen Konditionen das geht.
Und auch doof ist, dass ich die 8% meines Gehalts, die ich in der bAV umwandeln darf, idealerweise für meine Altersversorgung nutzen sollte. Ist aber nur meine Meinung. Darf jeder gerne anders sehen.
Unterm Strich
Unterm Strich ist die Absicherung der Berufsunfähigkeit über den Arbeitgeber sinnvoll denkbar, wenn ich einen bAV-Experten im Team habe, der alle arbeitsrechtlichen Komponenten bedenkt. Für meinen Schlotfeger war es eher nicht sinnvoll, da er, wie die meisten Schlotfeger, eh früher oder später in die Selbständigkeit wechselt und dadurch dann die Beiträge bei der privaten Übernahme zu teuer geworden wären.
Ich weise nochmal darauf hin, dass dieses Thema nicht unbedingt mein Steckenpferd ist und ich sicherlich gut 100 Gefahren übersehen habe. Aber zu meiner Verteidigung: Wir arbeiten in der bAV mit Profis, damit unsere Kunden bestens abgesichert sind 🙂
Wer mehr wissen will, findet hier alles über die Berufsunfähigkeitsversicherung:
Guter Kommentar.
Tausend Dank!
Mal ein Beispiel: ledig, 4.000 brutto, Steuerklasse 1 (ohne Kirchensteuer)
Bei einem Nettoeinkommen von rund 2.470 Euro möchte der Kunde 2.300 Euro absichern. „Das leben findet netto statt – auch im BU-Falle“ !
Bei einer voll steuerpflichtigen BU-Rente und bei voller Beitragspflicht zur KVdR müsste der Kunde eine Brutto-BU über rund 3500-3.600 Euro abschließen !
1. Frage: Da müsste man mal im Vergleich den Effektivaufwand zu einer nach 55EStDV zu besteuernden BU-Rente der Schicht 3 berechnen.
2. Frage: Die nötige BU-Rente betrüge rund 90% vom Brutto !
Welcher Versicherer macht da mit ?!
Wer 90% vom Brutto braucht, hat ja schon jetzt ein Problem, weil die Ausgaben zu hoch sind… Die Rechnung zur dritten Schicht sollte ich immer machen, logisch. Ich hab hier mal die Abzüge in der dritten Schicht skizziert: https://bsc-gmbh.com/blog/2019/04/17/was-von-der-bu-rente-uebrig-bleibt/
Wir reden leider aneinander vorbei. Mein Argument lautet:
Wer seine Ausgaben über eine BUV als bAV absichern will, muss wegen Steuer und KVdR eine derart hohe BU-Rente abschließen, dass diese mit der finanziellen Risikoprüfung des Anbieters kollidiert. Man bedenke:
Das Leben findet netto statt – auch im BU-Falle.
Das hab ich schon verstanden. In Ihrem Beispiel wird aber auch eine Absicherung über die dritte Schicht schwierig werden. Denn auch hier muss mehr als das Netto abgesichert werden, um auf die 2.300 Euro zu kommen.
Aber grundsätzlich haben Sie ja recht. Wer eine BUV über die bAV abschließt, muss den steuerlichen Nachteil einkalkulieren.