Kammerberufe sind für Vermittler herausfordernde Kunden. Und damit meine ich nicht mal, dass die klassischen Berufe, wie z.B. Anwälte oder Ärzte, gerne dem Trugschluss erliegen, Ihre Fachkompetenz auf andere Bereiche übertragen zu können. Das haben die meisten Menschen einigermaßen im Griff 😉 Aber Kammerberufe sind in einem Versorgungswerk organisiert. Deshalb haben sie andere Versorgungsansprüche als „normale“ Menschen. Deswegen möchte ich in diesem Artikel mal klären, was besser ist. Das Versorgungswerk oder die Berufsunfähigkeitsversicherung?

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Was ist ein Versorgungswerk?

Kammerberufe zahlen nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein, sondern in ein Versorgungswerk. Jedes Bundesland hat ein eigenes. Und jeder Kammerberuf auch.

Kammerberufe sind Ärzte, Apotheker, Architekten, Notare, Anwälte, Steuerberater, Tierärzte, Wirtschaftsprüfer, Zahnärzte und Psychologische Psychotherapeuten. Das sind die klassischen Kammerberufe. Außerdem sind Schauspieler, Musiker und Schornsteinfeger in Versorgungswerken organisiert. Darüber hinaus gibt es noch ein Versorgungswerk des Bayerischen Landtags.

Manche Berufe sind in EINEM Versorgungswerk organisiert. In Bayern sind das z.B. Ingenieure und Psychotherapeuten. Warum auch immer… Oder Steuerberater und Rechtsanwälte.

2016 gab es die letzte veröffentlichte Zählung. Es gibt rund 950.000 Mitglieder in allen Versorgungswerken. Davon ca. 220.000 Rentner.

Wie ist ein Versorgungswerk finanziert?

Ein Versorgungswerk ist nicht wie die gesetzliche Rentenversicherung nach dem Umlageverfahren finanziert. Die Rentner erhalten ihr Geld also nicht aus den laufenden Einnahmen, ohne groß Rückstellungen zu bilden. Es ist nach dem offenen Deckungsplanverfahren finanziert. In dem Wort steckt auch schon die Funktionsweise. Es ist grundsätzlich kapitalgedeckt, aber es sind auch zukünftige Beiträge eingeplant. Dadurch kommt es vielmehr auf meine persönliche Einzahlung an. Da aber zukünftige Einnahmen einbezogen sind, ist es durchaus auch anfällig für die demografische Entwicklung. Denn wenn die Lebenserwartung steigt, sind die früher eingeplanten Einnahmen wahrscheinlich nicht mehr ausreichend, um die Ausgaben zu decken. Jeder Rentner, der älter wird, als berechnet, gefährdet das Kollektiv. Das hört sich grausam an, aber Mathematik kennt kein Herz. Nur Physik kennt 1 Hertz.

Der große Vorteil des Versorgungswerks liegt in den Mitgliedern. Alle Berufe sind grundsätzlich eher Besserverdiener. Anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es keine Arbeitslosen oder Geringverdiener. Die Mitglieder zahlen jährlich etwa 175 Milliarden Euro ein.

Ein weitere Vorteil ist die Anlage. Es sind etwa 21% in Aktien angelegt. Das ist der Hammer und erhöht die Rentabilität enorm. „Nur“ 63% sind Zinsanlagen, also Einlagen oder festverzinsliche Wertpapiere. 12% sind Immobilien und 7% sind Rohstoffe und andere Kapitalanlagen. Die Wirtschaftlichkeit ist also deutlich höher als die der gesetzlichen Rentenversicherung, aber nicht ganz so hoch wie die einer privaten Rentenversicherung. Und auch nicht so flexibel.

Die durchschnittliche Rente beträgt etwa 2.000 Euro und ist damit mehr als doppelt so hoch wie in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Das Versorgungswerk oder die Berufsunfähigkeitsversicherung? Wer leistet besser?

Ein Nachteil ist die höhere Lebenserwartung. Kammerberufler leben 4 Jahre länger als der Durchschnitt. Also muss ich 4 Jahre länger meine Ausgaben abdecken. Das kann zu einem Problem in der Finanzierung werden. Eine private Rentenversicherung kann aber ohne Probleme die Inflation und auch mögliche Einbußen aus dem Versorgungswerk ausgleichen.

Im Übrigen meinen einige, die höhere Lebenserwartung liegt an der besseren Versorgung durch die private Krankenversicherung.

Kommen wir aber zu der Frage, ob das Versorgungswerk oder die Berufsunfähigkeitsversicherung nun besser ist.

Dazu müssen wir ein paar Beispiele machen.

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Die Berufsunfähigkeitsversicherung sichert von Beginn an meine Ausgaben ab

Mal angenommen, ich bin Arzt und mach eine Praxis auf. Dann hab ich von Beginn an sehr hohe Ausgaben für meine Einrichtung. Vielleicht hab ich sogar gebaut. Das käme dann noch hinzu. Also muss ich sofort Ausgaben in Höhe von, sagen wir mal 5.000 Euro absichern. Und das ganze für 15 Jahre, weil die Finanzierung so lange läuft. Da ich erst kurz in das Versorgungswerk einbezahlt habe, sind meine Ansprüche erst bei 1.500 Euro. Ich muss kein Genie sein, um zu sehen, dass das nicht ausreicht.

Hinzukommt, dass ich beim Versorgungswerk vereinbaren kann, als Existenzgründer zunächst niedrigere Beiträge zu zahlen, damit ich mehr in mein Unternehmen stecken kann. Dadurch bilden sich im Alter und bei Berufsunfähigkeit empfindliche Lücken.

Die Ansprüche aus dem Versorgungswerk berechnen sich aus einer relativ komplexen Formel, die sich aus der persönlichen Beitragsleistung und dem Rentenbemessungsfaktors abzüglich eines Abschlages ergibt. Stark vereinfacht und nach ein paar Jahren regelmäßiger Einzahlung besteht ein Ansprüch von etwa 60% des Netto-Einkommens.

Das Versorgungswerk oder die Berufsunfähigkeitsversicherung? Wer definiert besser?

Aber nicht nur die Höhe der Ansprüche ist von Beginn an bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung besser. Auch die Definition ist leichter zu erreichen.

Die private BUV orientiert sich an §172 VVG. Berufsunfähig ist, wer seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nur noch zur Hälfte ausüben kann. Als Beruf gilt genau mein Beruf, so wie er in den einzelnen Tätigkeiten ausgestaltet war. Wenn ich also Großtier-Tierarzt bin und aus gesundheitlichen Gründen keine Elefanten mehr heben kann, dann wäre ich BU, sobald der Zustand 6 Monate andauert oder voraussichtlich dauern wird. Selbst dann, wenn ich als Kleintierarzt noch arbeiten könnte. Nur wenn ich dann tatsächlich als Kleintierarzt arbeite und da auch 80% oder mehr meines alten Einkommens erziele, darf der Versicherer die Leistung einstellen. Für alle Kollegen sei angemerkt, dass das Beispiel mit den Elefanten selbstverständlich bescheuert ist. Aber es ist eingängig, find ich.

Im Versorgungswerk ist Berufsunfähigkeit anders definiert. Bei den Ärzten finde ich unter §36 (3), dass ein Anspruch auf Ruhegehalt bei Berufsunfähigkeit nicht entstehe, „solange das Mitglied nicht seine gesamte berufliche Tätigkeit aufgegeben hat.“ Ich darf also überhaupt nicht mehr arbeiten. Unter §42 ist dann geregelt, dass ich meine gesamte berufliche Tätigkeit erst dann aufgegeben habe, wenn ich meine Betriebsstätte veräußert oder aufgelöst habe.

Vorübergehende BU nur für 4 Jahre möglich

Vorher gibt es auch die Möglichkeit, eine Rente zu beziehen. Das heißt dann vorübergehende Berufsunfähigkeit. Diese Leistung erhalte ich für maximal 4 Jahre. In dieser Zeit kann ich einen Vertreter beschäftigen. Die Leistung erhalte ich aber erst nach 26 Wochen Wartezeit.

Bei den Apothekern heißt es hierzu konkret: „Die berufliche Tätigkeit ist nicht eingestellt, solange das Mitglied Arbeitsentgelt bezieht oder solange die Apotheke unter seiner Verantwortung geleitet wird.“

Die Frage, ob das Versorgungswerk oder die Berufsunfähigkeitsversicherung besser ist, lässt sich recht einfach beantworten. Die private BUV ist deutlich flexibler an meinen Bedarf anzupassen in Höhe und Laufzeit. Außerdem leistet sie schon, wenn ich nur noch zur Hälfte arbeiten kann und erlaubt einen Nebenverdienst, z.B. als Gutachter.

Der Vorteil des Versorgungswerks ist allerdings, dass ich versichert bin, auch wenn ich schon vor Eintritt in das Versorgungswerk krank war. Ich muss keine Gesundheitsfragen beantworten wie in der BUV.

Worauf muss ich bei der Berufsunfähigkeitsversicherung aufpassen?

Bedingungsseitig ist Vorsicht geboten bei sogenannten Berufsklauseln, die z.B. dann leisten, wenn eine Tätigkeit als Arzt nicht mehr möglich ist. Das klingt zwar erst einmal gut. Allerdings werde ich dann nicht auf meine konkret ausgeübten Tätigkeiten als Arzt geprüft, sondern auf das Berufsbild. Das ist in den allermeisten Fällen ein Nachteil.

Ansonsten ist eigentlich nur die Umorganisations-Klausel von besonderer Bedeutung. Allerdings lässt sich nur schwierig ein Fall konstruieren, in der ein Anwalt einen Anwalt als Ersatz einstellt, ohne dass das der Kanzlei unangemessen teuer kommt.

Manche Anbieter verzichten bei Kammerberufen auf die konkrete Verweisung. Das ist zwar nett, aber zum einen ist ein Anwalt sowieso kaum konkret zu verweisen, da der Beruf sehr angesehen und gut bezahlt ist. Zum anderen ist auch schlicht und einfach kein Bedarf gegeben, wenn ein Anwalt im neuen Beruf wieder so viel verdient wie vorher. Der Verzicht auf die konkrete Verweisung ist in meinen Augen kein Entscheidungskriterium.

Ein wichtiger Hinweis: Medizinstudenten sollten sich mit 2 Berufsunfähigkeitsversicherungen absichern. Denn Nachversicherungsgarantien sind meistens in der Summe begrenzt. Aber eine Praxis kostet viel Geld, weshalb ein Arzt auch viel abbezahlen muss. Das lässt sich über zwei oder mehr BU-Versicherungen schneller und sinnvoller regeln.

Unterm Strich

Ob das Versorgungswerk oder die Berufsunfähigkeitsversicherung besser ist, ist sehr eindeutig zu beantworten. Der Vergleich ist auch unfair. Aber auch notwendig. Denn weil das Versorgungswerk besser ist als die gesetzliche Rentenversicherung, denken viele, dass die Leistungen auch besser als eine Berufsunfähigkeits- oder Rentenversicherung wäre. Das ist aber nicht so. Nur die privaten Renten kann ich flexibel an meinen individuellen Versicherungsbedarf anpassen. Abschließend ist noch zu sagen, dass die Versteuerung der privaten BU-Rente günstiger ist. Sie erfolgt nach dem Ertragsanteil. Die BU-Rente aus dem Versorgungswerk wird voll versteuert.

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Und hier gibt es noch mehr zur Berufsunfähigkeitsversicherung 🙂