Mittlerweile gibt es bereits über 30 Anbieter einer Berufsunfähigkeits-Versicherung am Markt, deren Tarif auch bei Arbeitsunfähigkeit leistet. Auf den ersten Blick wird bei jeder dieser sogenannten Arbeitsunfähigkeits-Klausel die Rente durch Vorlage von Krankschreibungen über einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens 6 Monaten ausgelöst. Auf den zweiten Blick sind alle Klauseln unterschiedlich. Auch alle Schneeflocken sind unterschiedlich und dennoch lassen sich alle verschiedenen Formen in die begrenzte Anzahl von gerade mal 80 Typen einordnen. Dies ist der Versuch einer Systematisierung der bisher am Markt vorhandenen Arbeitsunfähigkeits-Klausel.

Die Einordnung erfolgt anhand des Nachweises, der Beantragung und der Überprüfbarkeit.

Die erste Generation der Arbeitsunfähigkeits-Klausel

Arbeitsunfähigkeits-Klausel der 1. Generation definieren den Begriff der Arbeitsunfähigkeit selbst, sodass der Versicherer bedingungsgemäß die Möglichkeit hätte, das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit anhand seiner Definition zu prüfen. Das ist generell nicht im Kundensinne. Erschwerend kommt hinzu, dass beide Anbieter, deren Klauseln zur 1. Generation gehörten, den Begriff nur unzureichend und sehr zum Nachteil des Versicherungsnehmers definiert haben. Es ist beispielsweise in beiden Definitionen kein Grad der Arbeitsunfähigkeit angegeben, sodass im Zweifel eine hundertprozentige Arbeitsunfähigkeit vorliegen müsste. In der derzeitigen Regulierungspraxis leistet der Versicherer allerdings bei Vorlage einer Krankschreibung von 6 Monaten.

Für die Beantragung des Leistungsfalles sind neben dem Nachweis der Arbeitsunfähigkeit auch alle Unterlagen einzureichen, die für den Leistungsantrag einer regulären Berufsunfähigkeit notwendig sind. Dadurch entfällt ein bedeutender Vorteil für den Kunden. Ein großer Teil der Anträge kommt deswegen nicht zur Leistung, weil die vom Versicherer benötigten Formulare nicht beigebracht werden können. Das liegt häufig schlicht daran, dass der Versicherte in seinem Zustand mutmaßlicher Berufsunfähigkeit nicht in der Verfassung ist, die Formulare auszufüllen. Selbst in gesunden Tagen ist es wenigstens zweifelhaft, ob ein Laie überhaupt begreifen kann, welche Informationen der Versicherer braucht.

Diese Unterlagen sind aber für den Versicherer wichtig, da er ohne diese, nur mit einer Krankschreibung unmöglich die vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung prüfen könnte, da auf einer Krankschreibung weder Diagnose noch ein genaueres Krankheitsbild beschrieben steht.

Heute, Stand 2019, gibt es keinen Anbieter mehr, der eine AU-Klausel in dieser Art definiert.

Die zweite Generation der Arbeitsunfähigkeits-Klausel

Arbeitsunfähigkeits-Klausel der 2. Generation verzichten auf eine Definition der Arbeitsunfähigkeit und leisten bei Vorlage einer Krankschreibung. Hier ist zu unterscheiden, ob in den Bedingungen ausdrücklich Selbständige und Beamte mit einbezogen werden oder ob es im Ermessen des Versicherers liegt, wie er die Formulierung bezüglich des Nachweises gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz auslegt.

Es sind ebenfalls alle Unterlagen zur Prüfung einer regulären BU einzureichen. Deswegen ist auch hier der eigentliche Vorteil verwirkt.

Die dritte Generation der Arbeitsunfähigkeits-Klausel

Arbeitsunfähigkeits-Klausel der 3. Generation werden derzeit von etwa einem Viertel aller Versicherer angeboten. Diese haben keine eigene Definition, leisten bei Vorlage der Krankschreibung und verzichten auf eine gleichzeitige Beantragung der Leistung wegen BU.

Hier ergibt sich das Problem

Prüfung der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung

Grundsätzlich darf man ja nicht vom Versicherer erwarten, dass er bei der Prüfung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nur oberflächlich operiert. Immerhin ist eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung für den Versicherer die einfachste Art, um aus der Leistungspflicht zu kommen. Allerdings haben die meisten Anbieter der Arbeitsunfähigkeits-Klausel die Leistungsdauer begrenzt. Dadurch ergibt sich dann, dass die zu bildenden Rückstellungen im Leistungsfall deutlich geringer ausfallen. Es müssten ja für den schlimmsten Fall gerade mal 18-48 Monatsrenten reserviert werden. Je nach dem, wie lange die AU-Klausel eben leistet. Wäre die Dauer unbegrenzt, müsste bei einem 27-Jährigen – etwas milchmädchenmäßig gerechnet – das 20-fache auf die Seite gelegt werden.

Setzt man diese Kosten in Relation zu dem finanziellen Aufwand, den ein Versicherer bei der Überprüfung der vorvertraglichen Anzeigepflicht betreibt, scheint dieser angemessen. Bei einer Rückstellung von gerade mal 18-48 Monatsrenten ist das Verhältnis ein deutlich anderes, weshalb man hier dem Versicherer durchaus glauben darf, dass er es bei einer oberflächlichen Prüfung anhand der Diagnose belässt.

Geringere Rückstellungen für den Versicherer

Unter diesem Blickwinkel ist die Arbeitsunfähigkeits-Klausel eine Art des befristeten Anerkenntnisses, das dem Kunden schnellen Zugang zur Leistung ermöglicht. Und der Versicherer spart vorerst hohe Kosten für die Prüfung von Vorvertraglichkeit und für die Rückstellung. Immerhin ist nicht ausgeschlossen und wahrscheinlich auch in einigen Fällen auch tatsächlich so, dass innerhalb der 18 bzw. 48 Monate wieder die Arbeitskraft hergestellt wird. Einfach nur auf BU zu prüfen, weil ja schon eine Berufsunfähigkeit vorliegen könnte, verursacht unnötige finanzielle Belastungen für den Versicherer. Für den Kunden ist es eine unnötige psychische Belastungen, wenn er alle Formulare und Arztberichte korrekt ausgefüllt beibringen muss. So wäre die Ausgestaltung der AU-Klausel in Form der 3. Generation ein beidseitiger Gewinn und ein nachahmenswerter, kundenfreundlicher Ansatz, um Kosten zu reduzieren.

AU-Klausel als Frühwarnsystem

Eine weitere Strategie, mit der sich die Kosten reduzieren ließen, wäre, die AU-Klausel sozusagen als Frühwarn-System im Kundeninteresse zu nutzen.  Die Idee, die dahinter steckt ist einfach. Meldet der Versicherte eine Krankheit oder ein Gebrechen frühzeitig, dann könnte sich in einigen Fällen eine langwierige Berufsunfähigkeit durch geeignete Therapien oder Rehabilitations-Maßnahmen vermeiden lassen. Der Versicherer nimmt also einen Teil des Geldes, das er bei einer BU bereitstellen müsste, in die Hand und ermöglicht seinem Kunden damit erfolgsversprechende Heilungsmaßnahmen.

Im Erfolgsfall profitiert der Kunde davon, weil er wieder normal leben kann. Und der Versicherer, weil er sich viel Geld durch die so verhinderten Leistungsauszahlungen spart. Derlei Assistance-Leistungen sind allgemein wünschenswert, eignen sich aber besonders für die AU-Klausel. Denn die Krankschreibung, die auf einem voraussichtlich vorübergehenden Zustand beruht, geht in den allermeisten Fällen einer Berufsunfähigkeit voraus. Je früher der Versicherer hier handelt, desto besser. Weshalb es auch sinnvoll ist, schon nach 4 Monaten eine erfolgsversprechende Antragstellung zu ermöglichen.

Im Detail müssen die Versicherer hier noch feilen. Denn es fiele eine neue Form der Prüfung an, da der Versicherer entscheiden muss, in welchem Fall eine Reha-Maßnahme erfolgsversprechend ist und wann nicht. Aber es zeichnet sich doch recht deutlich ab, dass die AU-Klausel den Versicherungsschutz entscheidend verbessern könnte. Und nebenbei auch gleichzeitig die Kosten für den Versicherer reduziert.